Haus zur Post - eine kleine Doku

Erbaut wurde das Haus wahrscheinlich kurz nach dem grossen Dorfbrand von 1796. Was für ein Gebäude vorher an dieser Stelle stand oder ob es neu erbaut wurde, ist nicht bekannt.

Das Haus wurde sehr nahe an der alten Hauptverkehrsachse von St. Gallen nach Heiden gebaut. Diese führte direkt westlich am Haus vorbei, das so an bester Lage positioniert war. Dazumal sind wohl einige Neubauten entstanden, die dank der Nähe zur Strasse eine Funktion erfüllten. So beispielsweise das Haus von Werner Graf: Es steht völlig untypisch mit Hauptausrichtung Ost-West an der einstigen Hauptstrasse, also ideal für ein Geschäftshaus.

Die Bauweise unseres Hauses ist typisch appenzellisch. Das Haupthaus ist als "Strick" gebaut worden und der Stall etwas weniger stark als Riegelbaute. Das Tenn, wie wir dem Stallanbau noch heute sagen, wird von vier mächtigen, stehenden Balken getragen. Diese müssen aus sehr grossen Bäumen gearbeitet worden sein, die wir heute in diesen Dimensionen wohl kaum mehr finden könnten.

Vermutlich war das Haus zuerst als Bauernhof mit einliegender Stickerei oder Weberei genutzt worden. Im Erdgeschoss fanden sich Steinriegel, die wohl eine Maschine getragen haben. Speziell ist, dass das Haus direkt auf den gewachsenen Boden gebaut worden ist. Die Grundsandsteine sind einfach auf den Sandsteinboden gelegt und das Haus darauf gestellt.

Soweit überliefert, gehörten die Wiesen entlang dem Weg in den Kronenbühl und dann bis ins "Schtäbröchli" zu dieser Liegenschaft. (Das "Steinbrüchli" befindet sich dort, wo die Heidenerstrasse in die Oberstrasse führt.) Weitere Bauernbetriebe waren im „Zyttäfeli“ und an der "neuen" alten Landstrasse. Irgendwo dazwischen wird die Grenze der Betriebe verlaufen sein. Wahrscheinlich wurden acht bis zehn Stück Vieh und zwei Pferde gehalten.

Der Bauernbetrieb wurde etwa um 1860 verkleinert und die Weberei/Stickerei um 1881 aufgegeben. Dazu muss es gekommen sein, weil anno 1865 die neue "Hauptstrasse" gebaut wurde, die quer durch die Liegenschaft führte. Im Jahr 1882 ist das Postbüro im Erdgeschoss eingezogen. Es wurden einige "Sicherheitsmassnahmen" getroffen, die heute noch sichtbar und daher äusserst untypisch sind für Appenzeller Häuser:

  • Verstärkte Eisenplatten wurden als Läden vor die Fenster im Erdgeschoss montiert.
  • Die Türe in den Raum im Erdgeschoss wurde innen ebenfalls mit einer Eisenplatte "einbruchsicher" gemacht.

Zudem arbeitete eine Telefonistin am Telegrafen und ab 1894 an der neu eingerichteten "Telephonvermittlung".

Im hinteren Teil des Tenns befand sich ein Rossstall. Wenn die müden Postkutschenpferde ausgewechselt wurden, wurden sie in den Rossstall gestellt, also dort, wo sich heute das Lager des Restaurants befindet. Im Postraum wurden Briefe und Pakete den Briefträgern zugeordnet und die Reisepost abgefertigt. Die Stickerei brachte mit Telegraf und Briefpost regen Geschäftsverkehr ins Haus.

Als Posthalter amteten in diesem Haus:

1882 – 1889       Theodor Huber
1889 – 1898       Arthur Züst

Um das Jahr 1903 wurde die Post in das westlich benachbarte Haus verlegt. Dieses wurde extra für das neue Postbüro umgebaut und das Erdgeschoss angehoben, was deutlich sichtbar ist, steht das Haus doch im Vergleich zu den nebenstehenden Häusern überhöht.

Ein paar Jahre später, 1906, richtete der neue Besitzer Karl Graf eine Wursterei im Keller des Gebäudes ein. Von diesem Zeitpunkt an sind keine Nutztiere mehr im Stall gestanden. Die erste schriftliche Dokumentation kommt aus dem Jahr 1893; die sogenannte «Erstnennung der Wirtschaftsbewilligung». Es kann aber davon ausgegangen werden, dass ab 1906 nebst dem Betrieb einer Wursterei auch Saft und Most verkauft wurde, Karl Graf aber das Restaurant noch nicht als Hauptgewerbe betrieb. Auf dem ersten Schild stand: „Speisewirtschaft zur Post“.

Auf der Nordseite des Hauses steht noch immer das alte Wasch- oder Siedhaus. Es ist ebenfalls unklar, wann das Häuschen erbaut worden ist. Im Waschhaus wurde die Wäsche aus den umliegenden Häusern und Geschäften gewaschen. Meine Grossmutter Olga erzählte, dass darin auch kleinere Mengen von edlen Stickereien gewaschen worden seien. Als meine Grosseltern Hasler das Haus 1935, damals als "Speisewirtschaft zur Post", übernahmen, wusch Olga Hasler die Wäsche ebenfalls dort.

Für die Wäscherei wurde das Wasser von der ersten Wasserversorgung im Dorfkern bezogen, die von den Quellen in den Haueten gespeist wurden. Das Wasser wurde direkt vom Teilstock abgezapft. Das Abwasser wurde in die "Rompeltole" entsorgt. – Eine "Rompeltole" ist eine im Haus liegende Entwässerung. Diese wurde aus flachen Steinen erstellt und führte das Wasser aus den Häusern ab. Eine solche kann heute noch besichtigt werden im Haus Langenauer. Diese ist im Hauseingang hinter dem Brunnentrog und fliesst "irgendwohin". –  Von den Kriegsjahren an bis Ende der 1960er-Jahre befand sich dann die Militärküche im Waschhaus. Später wurde Kohle eingelagert, dann die Ersatzreifen der H.R. Kast AG. Nach dem Umbau 1985 beherbergte das Häuschen für viele Jahre die Bücherstube.

Den letzten Bezug zum Web- oder Sticklokal hat unser Haus mit meinem Grossvater Pius Hasler erlebt. Geboren 1891 lernte Pius Hasler zunächst Stickerei-Zeichner. Weil es um die Stickerei aber in den 1920er-Jahren sehr schlecht stand, schulte er sich um zum Naturarzt.

1935 übernahm er mit Olga das Haus, mit der festen Absicht aus der Speisewirtschaft einen Gasthof mit blühendem Kurbetrieb zu gestalten. Die Voraussetzungen waren nicht schlecht: Man war mitten im Dorf etwas abseits der Strasse, dafür direkt neben der Postautohaltestelle und der PTT. Meine Grossmutter hatte die Hotelfachschule in Zürich erfolgreich abgeschlossen und mit meinem Grossvater war ein eigener Kurarzt im Haus.

Im Jahr 1980, nach 45 Jahren mit Olga Hasler-Bänziger als Wirtin, hat meine Mutter Olga Steiner-Hasler die Wirtschaft übernommen. Sie führte das Restaurant bis Ende 2001, also auch 21 Jahre.

Weitere Wirte auf der Post:

Zeitraum: erwähnt als:
Brigitte Bänziger und Katharina Bollhalder 2002 bis 2003 Pöschtli Stobe ond Bar
Katharina Bollhalder 2004 bis 10.2007  Pöschtli Stobe ond Bar
Albert Gmünder 11.2007 bis 09.2011 Poscht, Gmünder kocht gsünder
Monika & Paul Zünd-Keller 01.2012 bis 10.2017  Gasthaus z. Post, gourmetatelier.ch
Kàtia & Stefan Fuchs  04.2019 bis 04.2022  Restaurant z. Post, danach Maria Bunita
Sarah Calabria 04.2023     A-Poscht - Eventgastronomie